Der junge Giovanni verlässt seinen Heimatort Neapel, um in Padua bei einem langjährigen Freund seines Vaters, dem bekannten und angesehenen Professor Baglioni, Medizin zu studieren. In einer alten Pension bezieht er ein Zimmer, von dem aus er auf einen geheimnisvollen Garten blickt. Als er die schöne Beatrice dort bei ihrem täglichen Sparziergang sieht, verliebt er sich in sie und bleibt - von ihrer Schönheit verzaubert - den Vorlesungen fern. Professor Baglioni, der Giovannis Vater versprach, den jungen Studenten vor jeglichem Leid zu bewahren, ahnt, in welche Gefahr sich sein Schützling aus Liebe begibt. Als sowohl seine Warnungen wie auch seine Anordnungen wirkungslos bleiben, erzählt er ihm von seiner unglücklichen Liebe zur Mutter von Beatrice. Sein damaliger Assistent Dr. Rappacini wurde zu seinem Kontrahenten, als er Baglioni seine Geliebte streitig machte, welche die Geburt der schönen Beatrice nicht überlebte. Der Verlust erweckte bei Baglioni Zorn und trieb Rappacini, den er dafür verantwortlich machte, in den Wahnsinn. Dessen Liebe zur einzigen Tochter schlug in Besessenheit um, die ihn dazu anstachelte, bizarre Pflanzen zur Gewinnung eines Extraktes zu züchten, das er seiner Tochter verabreichte. Auf diese Weise machte er Beatrice zu einer unnahbaren Schönheit, die - wie die Giftpflanzen - jedem gefährlich wird, der ihr zu nahe kommt. Das erfährt der junge Giovanni am eigenen Leibe. Das von Baglioni entwickelte Gegenmittel kann weder ihn noch Beatrice retten.
Musicalgeschichten.de: "Eine heavy Romanze!"
Als Vorlage für das Musical diente eine Kurzgeschichte aus dem 19.Jahrhundert. Der Autor Nathaniel Hawthorne adaptierte seinerseits den Stil düsterer Geschichten, der sich bereits im 18.Jahrhundert durchgesetzt hatte und auf den viele britische und amerikanische Autoren spezialisiert waren. Aus Elementen der Barockzeit und unheimlichen Handlungsorten formten sie Geschichten, die seither beim Leser ein schauerlich-schönes Gefühl hervorrufen. Rappacinis Tochter ist eine tragische Liebesgeschichte, die durch das unheimliche Treiben des Dr. Rappacini zugleich gruselig und apart wirkt. Was bei dem Musical schnell auffällt, ist der Umstand, dass eine vorhandene Geschichte rundum vertont wurde und nicht nur einzelne Elemente daraus. Die Lieder wurden in die Handlung eingeflochten und nicht in eine grobe Rahmenhandlung gepresst. Viele Gesangsbeiträge ersetzen einzelne Dialoge, wodurch Rappacinis Tochter ein Musical im eigentlichen Sinne ist und kein Theater mit Musikeinlage, wie es bei Revuen der Fall ist. Dabei kommt das Bühnenwerk mit nur fünf Darstellern aus. Es gibt vier Protagonisten, von denen zwei füreinander und zwei gegeneinander kämpfen. Diese klare Handlungslinie zieht sich bis zum Ende durch das Stück. Seine eigentliche und fesselnde Dramatik erhält es dadurch, dass sowohl Rappacini wie auch Baglioni jeweils die Kontrolle über ihren Schützling zu verlieren drohen, als Beatrice und Giovanni sich ineinander verlieben. Rappacini empfindet es als Schwäche, dass er die Sehnsucht seiner Tochter unterschätzt hat, während Prof. Baglioni es als Herausforderung sieht, Giovanni mit den Mitteln eines Mediziners zu retten. Dadurch hofft er, seinen Kontrahenten endgültig zu besiegen. Eindruckvoll ist die Szene, in der Baglioni – von jahrzehntelang unterdrückten Hassgefühlen eingeholt – vor lauter Wut auch die Kontrolle über sich selbst verliert und seinem Gegner mit den Worten „Noch ein Leben kriegt er nicht“ den Kampf ansagt. Während er mit dem Rocktitel „Schatten der Vergangenheit“ sein früheres Leben besingt, liefert er sich zu Metal-Klängen ein Singduell mit Rappacini, bei dem die Lyrik aber nicht zu kurz kommt. „Liebe sprengt alle Ketten“ ist eine von den vier Protagonisten gemeinsam gesungene Rockballade, bei der das eigentliche Thema „Liebe“ den Ausklang des ersten Aktes bildet. Im zweiten Akt bekommt das Stück mehr Tempo. Mit dem gefälligen Song „Er ist nun dein“, der eine Pop Ballade ist, gibt Rappacini dem Drängen seiner Tochter nach, die nicht mehr in Einsamkeit leben will und Giovannis Frau werden möchte. Schließlich kommt es zum Treffen von Baglioni und Rappacini, welche den Metal-Song „Die letzte Tat“ im Duett zu Gehör bringen. Die Jungregisseurin Sandra M. Heinzelmann lässt das Stück mit einer eindrucksvoll inszenierten Niederlage der beiden Kontrahenten enden. Sie stehen als zerbrochene Eitelkeiten einander stumm und verbissen gegenüber. Nils Tunkel geht in der Rolle des Professors auf. Als Bariton verleiht er vor allem stimmlich der Figur viel energisches Temperament. Oliver Bandmann ist als Dr. Rappacini ein ruhiger Gegenpol. Er spielt einen durchtriebenen Forscher, der Macht durch Ignoranz und Beharrlichkeit ausdrückt. Tine Wiechmann bannt mit ihrem klangvollen Mezzosopran das Publikum, während Produzent Alexander Hunzinger seinen Giovanni überzeugend naiv darstellt. An der Seite von Tine Wiechmann ist er als verliebter Jüngling sehr glaubhaft. Alma Mathar spielt die Rolle der Pensionswirtin Lisabetta herzlich. Zweifellos trägt die gute Besetzung dazu bei, dass die einfache Kulisse - bei der Premiere hauptsächlich aus ein paar Rankgittern, einer Pflanze und ein paar Drehpfeilern als Fassade und Zimmerdekor bestehend - schnell zu einer Nebensächlichkeit wird. Die Kompositionen von Alexander und Anja Hunzinger, sowie Tilman Kracke werden live zum Gesang gespielt. Die teilweise harten Klänge werden durch die sanfte Lyrik und die ausgebildeten Stimmen der Protagonisten relativiert. Die insgesamt düstere Geschichte ist ein musikalisch-schillernder Theaterabend.
nächste Vorstellungen: 27. Oktober 2010 - Stadthalle Neumünster 25. Februar 2011 - Stadthalle Neumünster
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