Nicht immer muss ein Stück, das im Dschungel spielt, verworren sein und sich im Dickicht der Gefühle verstricken. Die Produktion um den Dschungelhelden „Tarzan“ kommt zwar auch nicht ohne eine Vielzahl von Lianen aus, doch gibt es klare Handlungsstränge, die sich durch das gesamte Stück ziehen. Schon der Vorspann ist beeindruckend. Ein altes Segelschiff schwankt in den Wellen, die von einem Unwetter aufgewühlt werden. Möwenrufe sind aus der Ferne zu hören und dringen - wie von einem starken Wind getragen- mit klarem Klang bis an die Ohren der Zuschauer. Handschriftliche Einträge aus dem Logbuch erscheinen an den Wänden neben der Bühne. 1888 ist das große Jahr, in dem die Zivilisation bis in den Dschungel vordringt. Der Gleichklang des heulenden Sturmes wird plötzlich durch einen Blitzschlag mit Donnerhall durchbrochen. Ein Mann und eine Frau fallen vom Schiff in die Tiefen des Wassers, schaffen es bis zur Oberfläche und werden irgendwo an Land gespült. Sie konnten auch ihr Kleinkind retten. Es überlebt die Gefahren des wilden Kontinents. Denn eine Gorilladame bewahrt den Kleinen vor einem hungrigen Leoparden. Sie trägt ihn zu ihrer Sippe, die von einem riesigen Silberrücken angeführt wird.
Musicalgeschichten.de: "Ein meisterhaftes Musikschauspiel!"
Dieser sieht in dem kleinen Menschen eine Gefahr für die Affenkolonie, nimmt ihn auf Drängen seiner Partnerin aber in die Sippe auf. Schnell freundet sich der kleine Tarzan mit anderen heranwachsenden Affen an- vor allem mit einem Außenseiter, der dem Herdentrieb nicht zugetan ist und seinen eigenen Weg in einiger Distanz zur Sippe geht. Um seine Kletterdefizite auszugleichen, greift der kleine Tarzan auf technische Mittel zurück- unter anderem auf eine Pflückhilfe. Als das Gorillaoberhaupt das erfährt, wähnt der riesige Affe in dem Menschenjungen eine Bedrohung, weist Tarzan kurz in die wichtigsten Überlebensstrategien ein und lässt ihn im Dschungel zurück. Seine Ziehmutter verlässt daraufhin die Sippe, um Tarzan zu suchen und weiterhin zu beschützen. Um das Menschenkind aufzumuntern, weist sie auf die anatomischen Gemeinsamkeiten zwischen ihm und den Gorillas hin. Die Gelegenheit, das Gelernte umzusetzen und sich zu beweisen, erhält Tarzan schließlich, als eine Expedition ihre Zelte im Lebensraum der Gorillas aufschlägt. Anders als 1888 kommen die Menschen nicht nur zufällig in den Dschungel. Sie wollen die Tierwelt erforschen und sind mit Waffen ausgerüstet. Tarzan verliebt sich in die Tochter des Expeditionsleiters. Botanik ist eines ihrer Fachgebiete, aber in der Liebe ist auch sie noch unerfahren. Sie entdeckt ihre Gefühle für Tarzan, der seinerseits ihr gegenüber seine Dschungelqualitäten entblößt. Aber er weiß nicht, welchen Gefühlen er folgen soll. Es sind gerade die Gefühle, die bei „Tarzan“ gut umgesetzt werden. Sie sind das Leitmotiv bei den Beziehungen zwischen Tieren und Menschen untereinander und in der Beziehung zwischen Mensch und Tier. Dabei gibt es jede Menge Wechselbeziehungen. Denn Tiere verhalten sich sehr menschlich, und Menschen verhalten sich unzivilisiert. Auf dieser Ebene wird der Anspruch der Produktion deutlich, nicht nur mit Musik und Schauspiel unterhalten zu wollen, sondern beides in eine Botschaft zu betten. Demnach ist jeder ein Teil seiner Umwelt und damit immer nur soviel, wie ihn seine Umwelt sein lässt. Man kann nicht das eine ohne das andere betrachten. Tarzan ist nicht der „Wilde“, den einige der Expeditionsteilnehmer in ihm sehen wollen. Er ist nur kein Mitglied der Gesellschaft aus der zivilisierten Welt. Als der Expeditionsleiter das erkennt, wird Tarzan für ihn zum „Beweis der menschlichen Anpassungsfähigkeit“ und zum „Hauptgewinn“ seiner Expedition. Die Melodien sind bestens auf die Szenen abgestimmt. Die Musik ist daher abwechslungsreich und nie zu vordergründig. Bei den Tanzeinlagen der „Affen“ wird die horizontale Ebene mitgenutzt, denn die kletterbegabten Tiere suchen auch die Höhe und nutzen den Raum über den Köpfen der Zuschauer für ihre freiluftigen Hangelpartien. Mit vielen akrobatischen Einlagen wird der Theatersaal zu einem Teil der Bühne. An einem hohen Maß an Bodenhaftung mangelt es dem Stück bei den Dialogen hingegen nicht. Es sind die Gefühle, die bei den Sprechszenen im Vordergrund stehen. Ein Fest aus Farbtönen gibt es bei den ersten Erkundungen der Tier- und Pflanzenwelt durch die Tochter des Expeditionsleiters. Schmetterlinge entfalten ihre großen Flügel, und Pflanzen öffnen ihre Blüten. Das Musical „Tarzan“ ist ein Klang- und Farbspiel und ein großes Schauspiel noch dazu, sodass Hamburg ein meisterhaftes Musikschauspiel hat!
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